Wulf Noll

Vier Fragen zu Rolf Dieter Brinkmann Weiter



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„Warum hier haltmachen? Warum irgendwo haltmachen?“Dies fragt Rolf Dieter Brinkmann 1969 in „Der Film in Worten", seinem ,unkontrollierten' Nachwort zu ACID, der gemeinsam mit Ralf-Rainer Rygulla herausgebrachten legendär gewordenen Anthologie mit Texten und Bildern aus dem amerikanischen Underground – von dem er wenig später allerdings nichts mehr wissen wollte. „Mag sein, dass er bis heute das ist, was er zu Lebzeiten bereits war: Ein Außenseiter. Ein Sonderling. Ein Eckensteher”, schrieb Jens Uthoff 2015 in der taz. Doch ist dieses Bild nur teilweise richtig. War doch Brinkmann in den Jahren zwischen 1965 und 1970 ein viel besprochener Autor, ja zeitweilig ein regelrechter Literaturstar seiner Generation. Durch seine Bücher bei so unterschiedlichen Verlagen wie Kiepenheuer & Witsch oder März wie auch mit vielen weiteren (nicht immer verwirklichten) Ideen und Projekten haben er und sein Kölner Kreis literarische Impulse gesetzt, die bis heute nachwirken.*
Zwischen Archiv & Gegenwart2025 hätte Rolf Dieter Brinkmann seinen 85. Geburtstag feiern können, wäre es nicht zugleich das Jahr seines 50. Todestags. Niemand kann sagen, was er nicht noch hätte leisten können: als Dichter, Schriftsteller, 'Medienarbeiter' und Übersetzer. Die deutschsprachige Literatur- und Kulturszene hat er gleichwohl weiter nachhaltig beeinflusst, nicht zuletzt durch zahlreiche posthume Publikationen. Sein Werk ist längst als Gegenstand der Forschung etabliert, sein literarischer Nachlass wandert in die Archive. Wie nachgeborene literarische Autor*innen (und andere Kreative) ihn sehen und sich seine Texte und Bildwelten insbesondere seit den späten 70er Jahren produktiv anverwandeln, versucht nicht zuletzt dieser Blog seit 2013 zu dokumentieren. Ist aber Brinkmann, überspitzt gefragt, nurmehr ein 'writer’s writer', der „fast schon selber zu einem dieser Materialienbände geworden [ist], an denen er gearbeitet hat“ (Adrian Kasnitz)? Oder hat der Schriftsteller, den das Feuilleton, fast turnusmäßig alle fünf Jahre, gern mit den Attributen „Kult-“ und „Pop-“ bzw. „Wortvandale“ oder„enfant terrible“ belegt, auch künftigen Generationen von Leser*innen etwas zu sagen - und welche Aspekte stehen dem eventuell entgegen? Kurzum: Wie gegenwärtig wird das Werk jenseits der Archive und Seminare bleiben?*
Neue Bücher, neue BlickeVier Publikationen zum Jubiläumsjahr laden zur (Re-)Lektüre des Werks ein und eröffnen neue Zugänge. ● Michael Töteberg und Alexandra Vasa legen mit Ich gehe in ein anderes Blau (Rowohlt Verlag) die erste umfassende Biografie des Autors vor: schonungslos direkt und akribisch recherchiert setzt das Buch neue Maßstäbe bei der Bewertung des Autors. Ausführlich zitieren können die Autoren hierfür aus unveröffentlichten, zumeist noch unbekannten Briefen (u.a. an Nicolas Born, Henning John von Freyend, Ralf-Rainer Rygulla) aus dem bislang unter Verschluss gehaltenen Nachlass. ● Gewürdigt wird Rolf Dieter Brinkmann außerdem mit der (nunmehr zweiten) Neuausgabe von Westwärts 1&2 (Rowohlt Verlag): sein erfolgreichster Gedichtband und ein Meilenstein der deutschsprachigen Lyrik des 20. Jahrhunderts, hrsg. und nochmals mit zusätzlichen Gedichten und unediertem Material versehen von Michael Töteberg.
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Auch Frank Schäfer verbindet eine jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Kölner Autor. Alte und neue Texte über Brinkmann hat der Literaturkritiker, Musikjournalist und Popkultur-Experte nun zu einer kursorischen und sehr persönlichen Einführung ins Werk komponiert: BRINKMANN. Ein Zettelkasten (Reiffer Verlag) aus biografischen Annäherungen, kritischen Einschätzungen sowie Textdeutungen, der gegenüber der Rowohlt-Biografie ganz eigene, auch literarisch inspirierte Akzente setzt. ● Die vielleicht aufregendste, weil gänzlich unverhoffte, Neuerscheinung zum Jubiläumsjahr verdanken wir schließlich Ralf-Rainer Rygulla, Brinkmanns Mitstreiter und langjährigem Freund: Frank Xerox' wüster Traum (Dielmann Verlag) so der Titel eines 1969/70 kollaborativ entworfenen Lyrikprojekts. Das von Rygulla jahrzehntelang aufbewahrte Typoskript erscheint jetzt – ergänzt um Briefe, Redaktionsnotizen und Illustrationen – als historisches Fragment und ästhetisches Abenteuer. Vier gute Anlässe also, sich Person, Werk und Werkstatt Brinkmanns erneut oder erstmals zuzuwenden.→ MEHR ERFAHREN*
More about RDB in English ■ En savoir plus sur RDB en français. ■ Saperne di più su RDB in italianoIn dieser Kategorie dokumentiere ich ausgewählte Veröffentlichungen aus Forschung und Feuilleton der letzten Jahre sowie Hinweise auf aktuelle Projekte (Forschung, Edition etc.). Aufgeführt werden insbesondere wissenschaftliche Monografien und Zeitschriftenbeiträge, welche sich explizit mit Rolf Dieter Brinkmanns Werken, Themen und Verfahren beschäftigen bzw. ihn im Hinblick auf Epoche, Schreibkonzepte oder Literaturströmung behandeln. Hinzu kommen Gastbeiträge aus Wissenschaft und Kultur. → MEHR ERFAHREN

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Im Sommer 1974 erhält Brinkmann die Einladung, im April des nächsten Jahres beim 1. International Cambridge Poetry Festival zu lesen. Auf zwei Veranstaltungen, am 19. und 20. April, stellt er dort Gedichte aus seinem soeben fertig gestellten Lyrikband Westwärts 1&2 vor. Es werden seine letzten öffentlichen Auftritte sein. Frank Schäfer führt uns in seinem aktuellen Buch BRINKMANN. Ein Zettelkasten zurück zu diesem besonderen Moment. Ein Beitrag in der Reihe „Brinkmanns Orte“. Weiter

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»Mit Zweifel an allem, und Wut auf fast alles«. Unter diesem Titel sendete der Deutschlandfunk (DLF) am 19. April 2025 eine fast dreistündige Radiosendung im beliebten Format der „Langen Nacht“. Den konkreten Anlass hierzu bot der 50. Todestag von Rolf Dieter Brinkmann am 23. April sowie zwei Neuerscheinungen im Rowohlt Verlag. Hier weitere Infos und die Sendung zum Nachhören. Weiter

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Eine digitale Anthologie mit Stimmen und Spuren zum 85. Geburtstag von Rolf Dieter Brinkmann. ■ TEIL 4 mit Texten, Bildern und Tönen von Jürgen Völkert-Marten, Ralf-Rainer Rygulla, Uwe Husslein, Thomas Hornemann, Adrian Kasnitz, Henning John von Freyend, Markus Fauser, Michael Töteberg, Sebastian Polmans, Hartmut Schnell und Uwe Kolbe. (Erstveröffentlichung 2020 zum 80. Geburtstag) Weiter

Eine digitale Anthologie mit Stimmen und Spuren zum 85. Geburtstag von Rolf Dieter Brinkmann. ■ TEIL 3 mit Texten, Bildern und Tönen von Brigitte Friedrich, Bert Brune, Lars Banhold aka Weylthaar, Eckhard Rhode, Karl-Eckhard Carius, Dieter M. Gräf, Lütfiye Güzel, Jürgen Ploog, Jochen Arlt und Renate Matthaei. (Erstveröffentlichung 2020 zum 80. Geburtstag) Weiter

Eine digitale Anthologie mit Stimmen und Spuren zum 85. Geburtstag von Rolf Dieter Brinkmann. ■ TEIL 2 mit Texten, Bildern und Tönen von Stan Lafleur, Friederike Mayröcker, Jo Teh & Fé Kolb, Linda Pfeiffer, Michael Krüger, Amir Shaheen, Norbert Hummelt, Michael Braun, David Krause und Ulrike Pfeiffer. (Erstveröffentlichung 2020 zum 80. Geburtstag) Weiter

Eine digitale Anthologie mit Stimmen und Spuren zum 85. Geburtstag von Rolf Dieter Brinkmann. ■ TEIL 1 mit Texten, Bildern und Tönen von Jan Volker Röhnert, Daniel Dubbe, Enno Stahl, Dorothee Joachim/Jens Hagen, Axel Kutsch, Crauss, Bertram Rutz, Gunter Geduldig, Udo Seinsoth/Norbert Schwontkowski, Theo Breuer und Lars Banhold. (Erstveröffentlichung 2020 zum 80. Geburtstag) Weiter

Mit ihren Schwerpunkten auf Geisteswissenschaften und zeitgenössischer Literatur gehört die Kölner Buchhandlung Bittner zu den renommiertesten Deutschlands und wurde seit 2014 bereits viermal mit dem Deutschen Buchhandelspreis ausgezeichnet. Zum Markenzeichen der Buchhandlung in der Albertusstraße (Nähe Neumarkt) gehören auch besonders gestaltete Schaufenster zu aktuellen Anlässen. Weiter

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Seit 1985 vergibt die Stadt Köln das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium zur Förderung der zeitgenössischen Literatur. So auch in diesem Jahr, in welchem sich der Todestag des Namensgebers zum 50. Mal jährt. Junge Autor*innen konnten sich bis zum 28. März 2025 bewerben. Die aktuell mit 12.000 Euro dotierte Auszeichnung gehört zu den wichtigsten literarischen Nachwuchsförderungen in Deutschland. Auf „Brinkmann wildgefleckt“ verlinke ich alle Infos zum Bewerbungsverfahren sowie Statements, Gastbeiträge und Interviews früherer Preisträger*innen auf diesem Blog. Weiter

Werkstattgespräch mit dem Berliner Lyriker und Literaturübersetzer Norbert Hummelt über Fotografie als Medium der Lyrik, Popkultur, Hummelts Begriff der Romantik und natürlich Rolf Dieter Brinkmann. Weiter

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Dieser Blogbeitrag informiert über Ralf-Rainer Rygulla: Schriftsteller, Übersetzer aus dem Englischen, Lyriker, Musiker sowie (Co-)Herausgeber literarischer Anthologien wie „Fuck You! Untergrund Gedichte“ (1968), „ACID. Neue amerikanische Szene“ (1969, gemeinsam mit Rolf Dieter Brinkmann) oder „Der Osten leuchtet“ (2022, gemeinsam mit Marco Sagurna). Neben Informationen zur Vita und einer Übersicht der bisherigen Beiträge von und über Ralf-Rainer Rygulla auf diesem Blog enthält der Beitrag insbesondere eine ausführliche Bibliografie seiner Veröffentlichungen seit 1967. Weiter

Buchhändler, Übersetzer, Lektor und Herausgeber, DJ, Clubbesitzer, Musiker und Songtexter: Im Laufe seines Lebens hat Ralf-Rainer Rygulla viele Berufe und Tätigkeiten ausgeübt. Eines bleibt jedoch über die Jahrzehnte konstant: seine Begeisterung für Lyrik. Dazu und anderen Dingen mehr äußert er sich im Interview mit Roberto Di Bella, welches hier anlässlich seines 81. Geburtstags am 6. November 2024 veröffentlicht wird. Weiter

Die „Einübung einer neuen Sensibilität“ (Brinkmann) wurde in der deutschsprachigen Literatur wesentlich durch die von Rolf Dieter Brinkmann (1940-1975) und Ralf-Rainer Rygulla (*1943) initiierten Übersetzungen und Editionen von Texten der amerikanischen Pop- und Underground-Szene befördert. Dies gilt zuvorderst für ihre umfangreiche und viel beachtete Übersetzungsanthologie ACID. Neue amerikanische Szene (März Verlag 1969). Trotz ihrer unbestrittenen literatur- und kulturhistorischen Bedeutung liegen jedoch die konkreten Produktions-, Vermittlungs- und Wirkungsumstände von ACID nach wie vor im Dunkeln. Weiter