RDB 2025 ■ Neues zum 50. Todestag*
„Warum hier haltmachen? Warum irgendwo haltmachen?“Dies fragt Rolf Dieter Brinkmann 1969 in „Der Film in Worten", seinem ,unkontrollierten' Nachwort zu
ACID, der gemeinsam mit Ralf-Rainer Rygulla herausgebrachten legendär gewordenen Anthologie mit Texten und Bildern aus dem amerikanischen Underground – von dem er wenig später allerdings nichts mehr wissen wollte. „Mag sein, dass er bis heute das ist, was er zu Lebzeiten bereits war: Ein Außenseiter. Ein Sonderling. Ein Eckensteher”, schrieb Jens Uthoff 2015
in der taz. Doch ist dieses Bild nur teilweise richtig. War doch Brinkmann in den Jahren zwischen 1965 und 1970 ein viel besprochener Autor, ja zeitweilig ein regelrechter Literaturstar seiner Generation. Durch seine Bücher bei so unterschiedlichen Verlagen wie Kiepenheuer & Witsch oder März wie auch mit vielen weiteren (nicht immer verwirklichten) Ideen und Projekten haben er und sein Kölner Kreis literarische Impulse gesetzt, die bis heute nachwirken.
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Zwischen Archiv & Gegenwart2025 hätte Rolf Dieter Brinkmann seinen 85. Geburtstag feiern können, wäre es nicht zugleich das Jahr seines 50. Todestags. Niemand kann sagen, was er nicht noch hätte leisten können: als Dichter, Schriftsteller, 'Medienarbeiter' und Übersetzer. Die deutschsprachige Literatur- und Kulturszene hat er gleichwohl weiter nachhaltig beeinflusst, nicht zuletzt durch zahlreiche
posthume Publikationen. Sein Werk ist längst als Gegenstand der Forschung etabliert, sein literarischer Nachlass wandert in die Archive. Wie nachgeborene literarische Autor*innen (und andere Kreative) ihn sehen und sich seine Texte und Bildwelten insbesondere seit den späten 70er Jahren produktiv anverwandeln, versucht nicht zuletzt dieser Blog seit 2013 zu dokumentieren. Ist aber Brinkmann, überspitzt gefragt, nurmehr ein 'writer’s writer', der „fast schon selber zu einem dieser Materialienbände geworden [ist], an denen er gearbeitet hat“
(Adrian Kasnitz)? Oder hat der Schriftsteller, den das Feuilleton, fast turnusmäßig alle fünf Jahre, gern mit den Attributen „Kult-“ und „Pop-“ bzw. „Wortvandale“ oder„enfant terrible“ belegt, auch künftigen Generationen von Leser*innen etwas zu sagen - und welche Aspekte stehen dem eventuell entgegen? Kurzum: Wie gegenwärtig wird das Werk jenseits der Archive und Seminare bleiben?
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Neue Bücher, neue BlickeVier Publikationen zum Jubiläumsjahr laden zur (Re-)Lektüre des Werks ein und eröffnen neue Zugänge. ● Michael Töteberg und Alexandra Vasa legen mit Ich gehe in ein anderes Blau (Rowohlt Verlag) die erste umfassende Biografie des Autors vor: schonungslos direkt und akribisch recherchiert setzt das Buch neue Maßstäbe bei der Bewertung des Autors. Ausführlich zitieren können die Autoren hierfür aus unveröffentlichten, zumeist noch unbekannten Briefen (u.a. an Nicolas Born, Henning John von Freyend, Ralf-Rainer Rygulla) aus dem bislang unter Verschluss gehaltenen Nachlass. ● Gewürdigt wird Rolf Dieter Brinkmann außerdem mit der (nunmehr zweiten) Neuausgabe von Westwärts 1&2 (Rowohlt Verlag): sein erfolgreichster Gedichtband und ein Meilenstein der deutschsprachigen Lyrik des 20. Jahrhunderts, hrsg. und nochmals mit zusätzlichen Gedichten und unediertem Material versehen von Michael Töteberg.
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Auch Frank Schäfer verbindet eine jahrzehntelange Beschäftigung mit dem Kölner Autor. Alte und neue Texte über Brinkmann hat der Literaturkritiker, Musikjournalist und Popkultur-Experte nun zu einer kursorischen und sehr persönlichen Einführung ins Werk komponiert:
BRINKMANN. Ein Zettelkasten (Reiffer Verlag) aus biografischen Annäherungen, kritischen Einschätzungen sowie Textdeutungen, der gegenüber der Rowohlt-Biografie ganz eigene, auch literarisch inspirierte Akzente setzt. ● Die wohl aufregendste Neuerscheinung zum Jubiläumsjahr verdanken wir schließlich
Ralf-Rainer Rygulla, Brinkmanns Mitstreiter und langjährigem Freund:
Frank Xerox' wüster Traum (Dielmann Verlag) so der Titel eines 1969/70 kollaborativ entworfenen Lyrikprojekts. Das von Rygulla jahrzehntelang aufbewahrte Typoskript erscheint jetzt – ergänzt um Briefe, Redaktionsnotizen und Illustrationen – als historisches Fragment und ästhetisches Abenteuer. Vier gute Anlässe also, sich Person, Werk und Werkstatt Brinkmanns erneut oder erstmals zuzuwenden.
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More about RDB in English ■ En savoir plus sur RDB en français. ■ Saperne di più su RDB in italiano BRINKMANN AKTUELLIn dieser Kategorie dokumentiere ich ausgewählte Veröffentlichungen aus Forschung und Feuilleton der letzten Jahre sowie Hinweise auf aktuelle Projekte (Forschung, Edition etc.). Aufgeführt werden insbesondere wissenschaftliche Monografien und Zeitschriftenbeiträge, welche sich explizit mit Rolf Dieter Brinkmanns Werken, Themen und Verfahren beschäftigen bzw. ihn im Hinblick auf Epoche, Schreibkonzepte oder Literaturströmung behandeln. Hinzu kommen Gastbeiträge aus Wissenschaft und Kultur. → MEHR ERFAHREN